Erinnerungen von Renate Knüfer
05.09.2010 · 1 Kommentar
Oben: Renate Knüfer war Public Relations Officer bei Atari. (Bild: Renate Knüfer)
Zu einer Zeit als noch keine japanischen Konsolen den Markt dominierten,
herrschte ein einziger Name über die großartige Welt der Videospiele. Die Popularität
der amerikanischen Firma Atari war seinerzeit so immens, dass man sie heute nur sehr schwer in Worte fassen kann.
Damals arbeitete Frau Renate Knüfer als Public Relations Officer in der Hamburger Firmenzentrale.
Mit Hilfe der Spielhallen-Adaption des weltbekannten Videospiels Pac-Man erreichte der US-Konzern im Jahre 1983
erneut Rekordumsätze. Wohl auch deshalb zählt die gefräßige gelbe Kugel
immer noch zu ihren ganz persönlichen Favoriten. Freuen wir uns nun gemeinsam auf exklusive und einzigartige
Einblicke in die goldene Ära der Videospiele in Deutschland.
Interview mit Renate Knüfer
ORIGINALTEXT AUS DEM SEPTEMBER 2010
Guido Frank: Hallo Frau Knüfer, schön das wir Sie hier auf videospielgeschichten.com
erstmals begrüßen dürfen. Es freut mich jetzt, eine Frau vorzustellen,
die viel über die Vergangenheit von Atari berichten kann. Ihre Karriere startete
am 1. Januar 1983. Welche speziellen Aufgaben hatten Sie in Ihrer Funktion als Pressesprecherin?
Renate Knüfer: Wegen unserer amerikanischen Muttergesellschaft Warner Communications
lautete mein offizieller Titel damals eigentlich Public Relations Officer.
Demzufolge war ich verantwortlich für die gesamte in- und externe Kommunikation.
Neben Kontakten zu den Printmedien, natürlich auch zu TV und Hörfunk.
Außerdem habe ich den gesamten Atari-Club geleitet. Wir hatten seinerzeit -
wenn ich mich recht erinnere - ca. 140.000 Mitglieder. Zwei meiner - übrigens männlichen -
Mitarbeiter haben sich ausschließlich um die Kontaktpflege zu den Clubmitgliedern gekümmert.
Ebenfalls lagen verschiedene Sponsor-Aktivitäten in meiner Hand. So war Atari
zum Beispiel Lieferant für Videospiele und Privatcomputer der BRD Olympiamannschaften
in Sarajewo/Los Angeles 1984.
«Atari war einfach Kult und die Kids wollten auch nichts anderes.»
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Guido Frank: Sponsoring in den frühen 1980er Jahren - wie muss man sich das vorstellen?
Wurde viel Geld in so ein Projekt investiert?
- Renate Knüfer war 1983 Public Relations Officer bei Atari in Hamburg. (Bild: Renate Knüfer)
Renate Knüfer: Das kann ich heute nicht mehr genau sagen und
war von Fall zu Fall unterschiedlich. Auch kam es immer darauf an, ob und wie
gut wir das Konzept der Muttergesellschaft gegenüber verkaufen konnten,
denn die gab ja die Gelder frei. Bei der Sponsorenschaft für die Olympiade haben
wir den jeweiligen Mannschaften Videospielkonsolen und Computer zur Verfügung gestellt.
Diese standen in den Geschäftsstellen der Sportverbände. Ich bin selbst
vor Ort beim Bob- und Schlittensportverband am Königssee und dem Deutschen Fechtverband
in Tauberbischofsheim gewesen und habe die Geräte erklärt und aufgebaut.
Ziel war es, das Image von Atari gerade in der Zielgruppe der sportbegeisterten
Jugend zu erhöhen und zu festigen.
Guido Frank: Welche Events haben Sie außer der Olympiade noch unterstützt?
Renate Knüfer: Zum Beispiel „Press meets Atari“ am 10. März 1983
in der Hamburger Fabrik galt als Auftakt zu den vielen Presseaktivitäten,
die ja bisher eher ein Nischendasein geführt hatten und nebenbei meinen Einstieg
bei Atari offiziell bekannt machten. Mehr als 100 Journalisten aus ganz Deutschland
waren eingeladen zur einer feucht-fröhlichen Party mit viel Musik.
Nicht zu vergessen natürlich auch die Computercamps im Hotel Sauerland Stern
und weitere Computercamps im Senegal und Tunesien im Sommer 1984.
Aus dem Prospekt des Hotels Sauerland Stern von 1984 - Endlich: Ferien selbst programmieren! (Bild: Hotel Sauerland Stern)
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Guido Frank: Leider habe ich nie an einem Computercamp teilgenommen.
Trotzdem sind mir die Angebote dank der reichhaltigen Werbung gut in Erinnerung geblieben.
Konnten sie das Hotel Sauerland Stern damals selbst besuchen?
Renate Knüfer: Ja, ich habe ein Wochenende im Sauerland Stern verbracht
und mir die Aktivitäten dort angeschaut. Ich denke, letztendlich hat sich unser Engagement dort aber nicht gelohnt.
«Mit Pac-Man kam der Durchbruch und die Journalisten wollten das nun auch ausprobieren und darüber schreiben.»
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Guido Frank: Als Pressesprecherin von Atari lag Ihre Hauptaufgabe
in der Zusammenarbeit mit den öffentlichen Medien. Videospiele zählten damals
nicht unbedingt zu den bevorzugten Themen der konservativen Presse.
Ein erfolgreicher Informationsaustausch dürfte deshalb auch eine große Herausforderung gewesen sein?
Renate Knüfer: Dies war einerseits spannend und aufregend,
andererseits musste man sehr aufpassen. Und dies aus folgenden Gründen:
Da Videospiele und auch Heimcomputer - wir nannten sie damals noch „Privatcomputer“ -
etwas völlig Neues waren, wurden diese Geräte mit entsprechender Skepsis betrachtet.
Die Kinder und Jugendlichen fuhren völlig darauf ab und gaben natürlich eine
Menge Geld für neue Spiele aus. Die Erwachsenen konnten seinerzeit sehr wenig
damit anfangen. Mit Pac-Man kam der Durchbruch und die Journalisten wollten
das nun auch ausprobieren und darüber schreiben. Entsprechend bekamen wir sehr
viele Anfragen mit der Bitte, den Redaktionen bzw. freien Journalisten leihweise
eine Konsole und die neuesten Spiele zur Verfügung zu stellen.
Publikationen wie Der Spiegel, Capital oder auch Stern,
sowie große überregionale Tageszeitungen waren an diesem Thema nicht interessiert.
Die Prominenz spielt ATARI: Franz Beckenbauer als Werbeträger für Atari Videospiele. (Bild: Atari)
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Das änderte sich erst, als wir den ersten „Privatcomputer“ vorstellten,
den Atari 400 und dann den größeren Bruder Atari 800. Hier gab es Lernprogramme,
zum Beispiel ein BASIC-Lernprogramm. Die Anleitung wurde gesprochen von Dagmar Berghoff,
die zu der Zeit als Fernsehansagerin unglaublich populär war. Und es gab eine
Textverarbeitung Atari Writer, eine Vereinsverwaltung, einen Terminkalender
und eine Datenbank mit dem Namen Karteikasten. Ich habe Gesprächstermine
mit den Redakteuren der großen und auflagenstarken Medien vereinbart,
mir den Computer unter den Arm geklemmt und dann in den Redaktionen von Stern
und sogar Brigitte diese Neuheiten vorgestellt. Auch habe ich Kontakt
mit den Redaktionen der ersten Computersendungen im Fernsehen aufgenommen,
die seinerzeit ziemlich hausbacken daher kamen und versucht, sowohl
die Videospielkonsolen als auch die Heimcomputer in den Sendungen bekannt zu machen.
Gemeinsame Produktionen von Sonderseiten zum Thema Videospiele und
Computer mit den damals auflagenstärksten TV-Zeitschriften, wie Hörzu
und Bild + Funk unter Einbeziehung von Prominenten, wie Franz Beckenbauer
(es gab ein Fußball-Videospiel) oder Michael Schanze
(moderierte die bei Kindern bekannte Kult-Fernsehsendung 1,2 oder 3)
verhalfen diesem Trend zu großer Aufmerksamkeit.
Guido Frank: Dass hier anfangs solche Zurückhaltung herrschte merkte man als Konsument eigentlich nicht.
Waren Sie in Sendungen auch persönlich zu Gast?
Renate Knüfer Es gab da die regelmäßige Sendung Computer Corner im ZDF innerhalb
des Kinder- und Jugendprogramms, zuständiger Redakteur und auch moderiert
von Klaus Möller, der sich auch - gegen alle Widerstände innerhalb des Senders -
mit Videospielen befasste und über die neuesten Spiele und Entwicklungen berichtete.
Hier war ich des öfteren Gast; und wenn nicht im Studio, dann doch häufig hinter den Kulissen.
Guido Frank: Das war bestimmt ziemlich aufregend, oder?
Renate Knüfer Kann man wohl sagen! Ich lernte u. a. Leute kennen,
die völlig besessen vom Videospielen waren. Bevor ich zu Atari kam, war ich
ja für die Pressearbeit von Casio, einem japanischen Unternehmen, verantwortlich,
in dem Sachlichkeit oberstes Gebot war und die Technik im Vordergrund stand.
Atari war das Gegenteil, war Emotion und in der Beziehung der Musikbranche sehr ähnlich.
Viele Kollegen kamen ja auch aus dem Musik-Business, beispielsweise WEA,
ebenfalls eine Warner-Tochtergesellschaft.
Guido Frank: Gewiss hatten Sie aber auch negative Erfahrungen mit der deutschen Presse?
- Kritische Literatur über Videospiele in den 1980er Jahren. (Bild: Kösel-Verlag)
Renate Knüfer Wie das in Deutschland halt so ist, da muss doch
ein Pferdefuß mit dabei sein.
Also gab es plötzlich Hinweise darauf, dass Videospielen gefährlich ist.
Man wird abhängig, die Kinder verblöden usw.
Mit diesem Thema mussten wir uns ernsthaft auseinandersetzen.
Ich hab mir die verschiedenen Studien genau angesehen und durchgelesen,
um die manchmal hanebüchenen Argumente entkräften zu können und mit den Medien
in einen ernsthaften und fundierten Dialog treten zu können. Ich habe mit
Herrn Professor Jürgen Fritz von der Fachhochschule Köln Kontakt aufgenommen,
der umfangreiche Studien dazu durchführte, und die Untersuchungsergebnisse
an die Medien weiter verbreitet. So entspann sich ein intensiver Dialog
zwischen Atari als seriösem und verantwortungsvollem Anbieter und der kritischen Presse.
Als Ergebnis konnte das Thema weitestgehend versachlicht werden.
Guido Frank: Die Kritik ist seitdem nicht unbedingt besser geworden.
Videospiele sind einfach ein guter Vorwand, um als Zielscheibe für die Schwächen
unserer modernen Gesellschaft zu dienen.
Renate Knüfer Ich glaube, die Argumente sind heute immer noch die selben:
Die Kinder sollten Sport treiben anstatt vor dem Computer zu sitzen
und sich massenweise Junkfood einzuverleiben. Wenn es nur das
entweder/oder gibt, haben die Kritiker völlig Recht. Aber man hat ja schließlich die Wahl.
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am 01.02.2014 um 11:48 Uhr
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